Du fährst Auto, vor dir die Dunkelheit, in die deine Scheinwerfer zwei helle Tunnels graben. Es regnet in Strömen, du siehst kaum etwas, aber richtig schlimm wird es erst, als dir ein dicker BMW entgegenkommt. Er hat diese neuen, grellen Lampen. Sie machen die Nacht zum Tag, verspricht die Werbung, aber das gilt nicht für alle. Du denkst beim Anblick dieser gleißenden Erscheinung an den Stern von Betlehem. So hell muss auch er geleuchtet haben, sonst hätten ihn die drei Weisen im Leben nicht vom Morgenland aus sehen können. Dann musst du blinzeln, weil es blendet. In der Fahrschule hast du gelernt, in so einem Fall rechts unten zum Straßenrand zu starren. Dort rast ein endloser weißer Faden an deinem Auto entlang, der Rest ist Blindheit. Was für eine Zumutung, denkst du noch, dann taucht vor dir die Straße wieder auf.
„Mein X5 ist letzte Woche gekommen. Super, gleichzeitig ein BMW und auch ein Jeep. Weißt, ich brauch ja eigentlich keinen Geländewagen, aber wenn man doch mal einen Berg rauf muss, ist man froh um den Komfort.“ Die zwei Männer im Café unterhalten sich prächtig. Die zwei Frauen ihnen gegenüber können dem Gespräch nicht mit der gebotenen Begeisterung folgen. Sie schauen stumm den Besitzer des neuen, teuren Autos an. Mit Bewunderung die eine, schließlich ist er ihr Freund. Er verdient gut, das ist wichtig, denn sie hat gewisse Ansprüche. Der Skiurlaub in Gstaad zum Beispiel, zwei Wochen, vier Sterne, das war nach ihrem Geschmack. Und natürlich will man dann auch nicht beim Après-Ski aufs Geld schauen müssen. Obwohl, ein bisschen aufpassen muss man natürlich, sonst nehmen sie einen aus. Und es soll ja für morgen auch noch reichen. Die andere hat ein bisschen Neid im Blick. Sie würde es auch gern mal krachen lassen, aber dafür reicht es meist nicht, mit zwei Kindern und einer kranken Schwiegermutter. Ihr Freund träumt von einem X5. Im Moment fahren sie ihren alten Mazda, bis der hoffentlich erst in ferner Zukunft zusammenbricht.
Die Bedienung bringt die Rechnung. Die vier haben gefrühstückt, drei Kaffee, zwei Mineralwasser, zwei große deutsche Frühstücke. Korb Brot, Marmelade, Käse, Wurst. Der Mann mit dem neuen BMW greift nach der Rechnung, die Summe ist fett gedruckt: 41,20 Euro. „Also, wir hatten zwei Kaffe und ein Frühstück, das macht dann…“ Die Bedienung nimmt ihm den Zettel wieder aus der Hand: „Ich rechne dir das schnell raus“, sagt sie und kommt auf 19,50 Euro. Ein gönnerhaft lächelnder Mund sagt: „Stimmt so!“, und eine Hand legt einen Zwanziger auf den Tisch.
Man hätte den Betrag teilen können. Das wäre fast aufs gleiche rausgekommen, hätte der Bedienung Zeit gespart, weniger kleinlich gewirkt und beim Mann am Nebentisch nicht den Eindruck hinterlassen, dass hier einer sein winziges Selbstbewusstsein in einem riesigen Auto durch die Gegend fährt. Aber ein bisschen aufpassen muss man natürlich, es soll ja für morgen auch noch reichen.
Der Mund, der gerade noch die Bedienung angelächelt hat, sagt jetzt: „Und weißt du, was das Beste dran ist: Die Xenon-Scheinwerfer. Die machen die Nacht zum Tag. Wenn du über Land fährst, und es ist mal richtig dunkel und regnet, dann willst du die nicht mehr missen.“
1 Kommentar:
Boah, aber der X5, der ist doch wirklich toll und unser nächstes Auto - in ferner Zukunft. Und bis wir den unser eigen nennen können, gehen wir besser überhaupt nicht mehr frühstücken und lassen die Nacht Nacht sein - was für eine Nachtblinde wie mich ehrlich ein Graus ist.
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