Der Frederik ist neun Monate alt und muss feststellen: Nur, weil in seinem Pass unter Geburtsort „München“ steht, gehört er noch lange nicht dazu, in dieser Stadt der Schönen, Reichen und Gestressten.
In der 27er Trambahn zum Beispiel sind ihm neulich auf Höhe der Neuen Pinakothek drei kurze Schreie entkommen, weil es so eng und so stickig war. Eine Mitfahrerin hat aber gleich gewusst, dass das nicht der wahre Grund ist. „Der hat doch Hunger“, hat sie gerufen, sodass alle sich zu ihr umgedreht haben. „Der muss gefüttert werden, das sieht man doch.“ Kurz vorm Karolinenplatz noch mal zwei, drei Schreie. „Ah, müde ist er. Den muss man schlafen lassen. Warum schläft der denn nicht? Wie manche mit ihren Kindern umgehen!“ Als die Frau am Stachus ausgestiegen ist, war der Frederik ganz schön froh.
Ein anderes Mal ist er am Marienplatz in seinem Wagen im Aufzug rauf zum Café Glockenspiel gestanden. Drei dicke Menschen haben nicht mehr in die Kabine gepasst und dem Frederik die Schuld gegeben: „Die immer mit ihren blöden Kinderwagen“, hat ihm einer hinterhergerufen, während die Aufzugtür zugegangen ist.
Und dann war der Frederik in der Innenstadtklinik zu Besuch und hat gewickelt werden müssen. „Alles was recht ist“, hat ein Mann gebrüllt, der ganz weiß angezogen war. „Sie können doch nicht hier, mitten im Flur, also wirklich.“ Wo denn sonst, hat der Mann aber nicht gesagt.
Der Frederik kann noch nicht lesen, sonst wäre ihm vielleicht neulich in der Zeitung dieser Satz aufgefallen: „Mit 14.041 Neugeborenen hat München erstmals seit den siebziger Jahren wieder die Marke von 14.000 geknackt.“ In dem Bericht war sogar von einem „Babyboom“ in der Stadt die Rede. Darüber hätte sich der Frederik sehr gewundert.
1 Kommentar:
sagst dem Frederik, wir vermissen ihn, und wenn sie ihm demnächst wieder blöd kommen, kommt ihr einfach und wohnt bei uns, denn sowas würde hier im traum keinem einfallen...
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