Die Mama hat einen hohen Blutdruck, manchmal liegt der obere Wert über 200. Meistens am Sonntag, wenn der Bub kommt. Da regt sie sich immer recht auf, weil sie soviel vorbereiten muss. Der Bub wohnt doch jetzt allein und kriegt die ganze Woche nichts Gescheites zum Essen. Deswegen kocht die Mama, wenn er sich angekündigt hat, vorsichtshalber vier verschiedene Gerichte, eines wird ihm schon schmecken. Dass ihm alle vier schmecken würden, er aber selbst mit dem allerbesten Willen höchstens eineinhalb zwingt, glaubt sie nicht, er wächst ja noch. Der Bub ist jetzt 32. Nach dem Besuch ist immer sehr viel Essen übrig. Das reicht der Mama leicht bis nächsten Sonntag, sogar, wenn sie noch ein paar Portionen einfriert.
Die Mama kocht mit viel Fett. Das kommt vom Krieg. Da hat es meistens nur Kartoffeln und Brotsuppen gegeben, das wollte sie danach nie mehr essen. Jetzt ist seit über 60 Jahren Frieden, und das sieht man der Mama auch an. Ihrem Blutdruck tut das ebenfalls nicht so gut.
Wenn es wieder ganz schlimm wird, geht die Mama zum Doktor Saunel. Der verschreibt ihr dann Tabletten und meint, ein bisschen abnehmen könnte nicht schaden, ob sie nicht mal weniger, man könne doch auch lecker fettarm, also, er kenne da Rezepte, die... Aber das hört die Mama nicht. Wenn der Doktor nachhakt, erzählt sie ihm die Geschichte von den schweren Knochen: Die lägen in ihrer Familie, schon die Oma habe darunter gelitten. Dick in dem Sinn sei die aber auch nicht gewesen. Nur schwer halt, wegen der Knochen. Und überhaupt: Auch der hohe Blutdruck sei schließlich Veranlagung.
Dann geht die Mama schnell heim, schließlich ist bald Sonntag. Da muss sie vorher noch einkaufen, fürs Essen mit dem Buben. Hoffentlich schmeckt’s ihm.
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Eingedenk der Zeiten, als die Knochen meiner Mutter noch deutlich schwerer waren.
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